- Kategorie: Pu'erh, Sheng
- Herkunft: China, Yunnan, Xishuangbanna, Mengla, Yiwu
- Jahrgang: 2019
- Form: Bingcha, 250g
- poetischer Name: KongShanYouYun 空山幽韵
- Pu-erh.sk
(Original 16.06.2019)
Dieser Tee stammt wie der 2016er Rareness 3 aus Yiwu, dieses mal allerdings aus einem geschützten Staatswald, chin. Guoyoulin (国有林), und ist von einem ganz anderen Charakter als der ähnlich benannte Rareness 4 von diesem Jahr: Während der erste Aufguss noch recht zurückhaltend ist kündigt sich die Kraft des Tees bereits an - man kann noch nichts wirklich Genaues sagen, es ist mehr ein Gefühl, so wie wenn man spürt, dass sich ein Gewitter nähert. Ab dem zweiten Aufguss wacht der Tee dann auf und legt eine bitter-süße Note wie gebackene Birnen an den Tag, die ich so noch niemals bei einem anderen Tee hatte und mir extrem gut gefällt. Getragen wird sie von einer schön schweren Textur und hinterlässt einen tollen, sehr langanhaltenden Nachgeschmack bei dem rasch die Süße die Oberhand übernimmt - beim nächsten Aufguss (ca. 10 min später) ist dieser noch nicht einmal ansatzweise verflogen. Je nach Dosierung lässt sich die Bitterkeit, die wie die leicht bittere Schale einer im Inneren super-süßen Birne deren Charakter bestimmt, etwas regulieren und entscheidet so sozusagen über den Reifungsgrad oder die Dicke der Schale der Birnen, die beim Backen verwendet wurden.
Am spannendsten an dem Tee ist aber das Qi: sobald man einen Schluck nimmt und sich die Flüssigkeit nach unten bewegt, strömt die Energie nach oben in den Kopf und dann direkt in die Arme und macht diese sehr schwer und "breit" - es ist kein Feuerwerk wie bei einem Last Thoughts - das hat der Tee gar nicht nötig (das würde hier so billig wirken wie die Spoiler von "getunten" Autos oder Goldkettchen von diversen Rappern) - das sich hier entfaltet und es hat nicht die energetisierende Wirkung wie bei dem Rareness 4, so dass man schon etwas in sich hineinhören muss, wenn man sehen möchte, wie sich diese entfaltet, aber die Wirkung stellt selbst einen Teijipin in den Schatten: Langsam aber unaufhaltsam wie die tektonischen Kräfte der Erde führt mich der Tee immer tiefer in die Ruhe und Entspannung, wie man sie in dieser lärmenden, schnelllebigen Welt nur noch selten findet. Kein Tee, um ihn mal schnell zwischendurch zu trinken, wenn man mal ein Stündchen Zeit hat oder sich gar Aufguss nach Aufguss in den Rachen zu kippen, sondern wenn man sich WIRKLICH Zeit dafür nehmen kann - meditativ alleine für 3+ Stunden oder einen entspannten Abend zusammen mit einem guten Freund. Qualitativ ist der Rareness 5 genau so wie der Rareness 4 über jeden Zweifel erhaben aber auf Grund diesen Charakters gefällt er mir persönlich sogar noch besser - auf dem Level ist keine Wertung mehr möglich sondern man kann nur noch nach persönlichen Vorlieben entscheiden (wenn man sich denn entscheiden muss). Ich würde sogar soweit gehen und sagen, dass das der Beste Tee ist, den ich bisher kenne.
Bewertung: 6-Sterne, Favorit
(Update 31.12.2019)
Auch ein halbes Jahr später hat der Tee für mich nichts von seinem Charme verloren: Er vereint alle Aspekte, die ich in einem guten Sheng suche in sich. Ein facettenreiches, sich wandelndes Geschmackserlebnis das (bei dieser Dosierung) mit einer schönen Bitterkeit startet und mit der Zeit immer süßer wird, wobei sich die von Beginn an subtil vorhandene Fruchtigkeit zu der schon erwähnten einzigartigen Birnen-Note steigert, komplementiert durch eine unterschwellige "Fülle" und Derbheit, die sich vor allem auch im intensiven Stallaroma im leeren Schälchen zeigt. Eine intensiver, voller Körper mit schwerer Textur, die jedoch nie aggressiv ist (selbst bei den ersten, bitteren Aufgüssen) sondern immer elegant und ölig-geschmeidig bleibt und ebenso wie die Geschmacks- und Aroma-Komponenten immer von einer eloquenten Subtilität, die jedoch wie z.B. bei dem 2017er Yiwu Guoyoulin von EoT immer durchblicken lässt, dass da einiges an Kraft im Hintergrund steht. Im kleinen Ton-Porzellan-Kännchen von Jan Pavek verschiebt sich der Fokus etwas mehr in Richtung Geschmack als in Richtung Körper/Textur - was hier dem Genuss aber keinen Abbruch tut! Und natürlich nicht zuletzt das super schön entspannende Qi - intensiv aber auf eine entspannte Art und Weise, ohne unnötige Aufgeregtheit und Lärm - so ist mir das am liebsten! Für mich definitiv DER Tee des Jahres 2019.
(Update 01.01.2022)
Welcher Tee eignet sich besser für den Start in das neue Jahr, als den Tee, den man am meisten mag? Daher fiel mir die Entscheidung heute morgen nicht schwer - denn auch wenn der Rareness 5 insbesondere im Vergangenen Jahr (und hier zähle ich auch die 2020er Ernten, die 2021 auf den Markt gekommen sind dazu) beachtliche Konkurrenz bekommen hat (allen voran natürlich der Rareness 6 und der mind_switch von prSK, einige der tollen 2021er Shengs von Yu, die 2020er Shengs von TTpl, der Bai Hua Qing von EoT, der Chawangshu Gushu von TE und mehr), hat es für meinen Geschmack noch keiner geschafft, das Erlebnis des Rareness 5 zu übertrumpfen (der Rareness 6 kommt allenfalls ran, ist aber sehr "special interest"). Und selbstverständlich bietet es sich bei einem Tee den ich gut kenne an, das neue Chaozhou Kännchen zu nutzen - das bereitet mir viel Freude und liefert (soweit die paar Sessions erste Rückschlüsse zulassen) tolle Ergebnisse. Allerdings hat sich der Haarriss an der Tülle als doch nicht rein kosmetisch herausgestellt: links von der Tülle ist er tatsächlich nicht durchgängig aber rechts schon, wie man an der austretenden Flüssigkeit sehen kann (siehe Detailbild). Dadurch wirkt das ganze schon etwas "gefährlicher" aber solange es nur ein bisschen trielt und nicht das Kännchen an sich gefährdet ist, stört mich das nicht und fällt ohnehin nur bei den späteren, wirklich langen Aufgüssen eines Shengs auf (bei einem dicken Shu tritt z.B. so gut wie nichts aus) - ich gehe halt respektvoll mit dem Kännchen um (wie im Grunde mit jedem anderen auch, nur Grobiane schlagen (gegen) ihre Kännchen) und hoffe, dass es auch die nächsten 50+ Jahre hält ;-)
Aber zu dem Tee: er hat sich seit den Notizen von 2019 doch ziemlich verändert - er ist aktuell sehr verschlossen. In den ersten vier bis fünf Aufgüssen zeigt er einem trotz freundlicher Behandlung die kalte Schulter und öffnet sich null - nur eine sehr leichte, fast ätherische Textur, geschmacklich eher dezent in der bitter-fruchtigen Ecke (aber die tolle Birnen-Note lässt sich leider kaum noch erahnen) und mit einem leicht aggressiven Charakter, der mich irgendwie an stark dosierte grüne Wulongs erinnert ... aber ein Qi, dass es einem die Socken auszieht (im positiven Sinne)! Nach dem dritten Aufguss muss ich etwas langsam tun, da die Energie gar nicht mehr so schnell abfließen kann, wie sie sich im Kopf manifestiert - das ist schon beachtlich, aber im Vergleich zu den Erfahrungen mit manchen Nakas keineswegs unangenehm. Beim ca. fünften Aufguss löst sich dann irgend ein Knoten und ab dem nächsten Aufguss ist der Tee plötzlich voll da: voll und präsent, inzwischen haben sich Bitterkeit und Süße angeglichen, jegliche Anmutung von etwas Wulong-artigem ist verschwunden. Nach ein paar weiteren Aufgüssen muss ich dann (terminbedingt) zunächst unterbrechen, da der Tee aber noch lange nicht fertig mit mir ist, geht es am Nachmittag weiter. Nach einigen weiteren Aufgüssen, wenn die Energie sich langsam legt und sich die sehr schöne "Grundblattnote" des Tees zeigt reicht es mir aber zunächst aber selbst jetzt hat der Tee noch genügend Kraft und Geschmack übrig, dass heute Abend noch weitere Aufgüsse drin sind - hier bekommt man wirklich was für sein Geld geboten!
Auch wenn die aktuelle Phase, in der sich der Tee befindet zu Beginn etwas Geduld erfordert zeigt sich doch eine gewisse Entwicklung - der Aufguss scheint zwar etwas weniger grün zu sein (soweit man das in einem nicht-weißen Schälchen beurteilen kann, kann man das im Detailbild sehen), im Charakter aber (zumindest bevor sich der Knoten löst) noch immer extrem grün - grüner als so manche Produktion von diesem Jahr. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt...
Update (31.12.2019): erster Aufguss
noch späterer Aufguss - für die nächsten Aufgüsse muss in ein größeres Kännchen oder Gaiwan umgezogen werden, da der Deckel nicht mehr wirklich zu geht.
Update (01.01.2022): erster Aufguss
noch späterer Aufguss und Ende der ersten Session
erster Aufguss der Fortführung am Nachmittag