• Kategorie: Pu'erh, Sheng
  • Herkunft: China, Yunnan, Xishuangbanna, Mengla, Yiwu
  • Jahrgang: 2021
  • Form: Bingcha, 200g
  • Essence of Tea

Hurra, mein erster 2021er Sheng! Vielen Dank an dieser Stelle an Pierre, dass ich mitbestellten durfte - alleine hätte ich das so kurz vor der Änderung der Import-Regeln nicht mehr gewagt. Von den 2021ern von David und Yingxi hat mich die Beschreibung von diesem am meisten angesprochen, weshalb ich hier blind zu einem Bing gegriffen habe - von den übrigen nur Samples, auch wenn das wohl die letzte Tee-Bestellung in China gewesen ist, sofern die Gesetzgeber nicht doch mal etwas Verstand finden und die absurde Kriminalisierung des Import von hochwertigem Tee aus China endlich mal aufheben ... aber da habe ich leider keine Hoffnung, sofern nicht aus irgend einem Grund plötzlich wirtschaftliche Interessen daran aufkommen würden (denn wenn es um Geld kassieren geht, ist plötzlich alles erlaubt und möglich). :-(

Dieser Tee jedenfalls stammt aus dem Dorf Baihuatan (百花潭) in der Nähe von dem bekannteren Tongqinghe (铜箐河) (auch wenn ich von dort bislang lediglich ein Shu-Sample von Tiago hatte) in Yiwu - wobei die lokale Aussprache wohl Baihuaqing ist, daher der Name des Tees. Das Dorf liegt auf ca 1700m Höhe an einem kleinen See der von den Flüssen Tong Qing, Jinguang, und Bulong gespeist wird und im Frühjahr soll es dort voller wilder Blumen sein - daher auch der Name des Dorfes (wenn ich es richtig übersetzt habe): Teich der vielen Blumen (many flowers pond). Vor dem Hintergrund ist auch der Wrapper äußerst treffend - und ich bin seit der Einführung in 2017 nach wie vor begeistert von den Wrappern von EoT: der aufgenähte Stoff-Streifen sieht zugleich elegant wie auch "handmade" aus und bietet neben der Optik auch eine schön wertige Haptik, da braucht es keine neonfarbene Reklame-Prints oder pseudo-postmodernen Kollagen mehr! Natürlich wirkt sich ein Wrapper weder positiv noch negativ auf den Geschmack des Tees an sich aus und ein einfacher, unbedruckter Wrapper aus ordentlichem Papier ist mir genau so recht, aber auf das Gesamterlebnis hat das letztlich schon irgendwo Auswirkung, ob man nun einen Bing mit solch einem Wrapper aus dem Ton-Topf holt (wie der Topf hat auch der Wrapper eine interessante Textur) und ein (zumindest äußerlich) wertiges Produkt die Vorfreude auf den Tee schürt, während das Wasser langsam im Tetsubin auf Temperatur gebracht wird ... oder ob man eine schreiend bunt bedruckte Scheibe mit kitschigen/grausigen Motiven aus einem Pappkarton fischt. Und die abstrakteren Muster der Stoffe (okay, dieser hier im speziellen ist evtl. etwas eine Ausnahme wie eben beschrieben) bergen für Anfänger auch nicht die Gefahr, dass man sich auf Basis des Wrapper Motives für (oder gegen) einen Tee entscheidet. Der Garten an sich ist klein (40kg Ernte im Frühjahr) und liegt abgelegen ("3-4 hours hiking each way to reach it from the closest road") - der Farmer stammt aus dem Yao-Dorf BuLongHe in der Nähe. Natürlich hat man letztlich keine Möglichkeit, diese Infos zu überprüfen und der Informationsgehalt ist auch nur bedingt hilfreich bei der Auswahl eines Tees, aber wie schon letzte Woche bei dem Tee von William erwähnt mag ich das trotzdem, da sie dem Tee ein Gesicht geben - es klingt zumindest glaubhafter als aus dem Gebüsch springende Schlangen und verbotene Urwälder.

Nun aber zum Tee: das nasse Blatt hat einen intensiv frisch-floralen Duft von wilden Blumen - nicht schwer und drückend wie Zuchtblumen sondern frisch und leicht wie die Blümchen, die man bei einem Spaziergang im Wald am Wegesrand findet (auch hier: die Maiglöckchen auf dem Wrapper sind sicher kein Zufall) - Frühling pur! Beim ersten Schluck wird man dann jedoch von einer auf Basis der Aromen nicht vermuteten Bitterkeit überrascht, die in Verbindung mit einem ordentlichen Maß an Adstringenz keineswegs eine freundliche Bitterkeit wie bei einem Laomane ist, sondern einen scharfen Mengsong-Charakter hat, die für "ungeübte" Gaumen je nach Dosierung sicher auch ins Unangenehme gehen kann. Der Eindruck wird durch die kaum vorhandene Textur nur noch verstärkt: eine Samtigkeit wie bei einem LME sucht man hier vergebens, so dass man im ersten Moment (wenn man nur die Geschmacksebene betrachtet) meinen könnte, dass man hier ein echt mieses Kraut erwischt hat. Aber schon nach dem ersten Schälchen wird klar, worum es sich bei dem Tee dreht: um das Qi! Die Arme werden schwer und man spürt jeden einzelnen Pulsschlag - gleichzeitig sammelt sich die Energie im Kopf, dankenswerterweise aber nicht Naka-artig punktuell sondern eher als ob man den ganzen Kopf in Watte packt - insgesamt nicht ganz so erdend wie beim 2019er Rareness 5 von prSK aber trotzdem sehr entspannend und ohne viel Gewese. Geschmacklich mag der Tee zwar nicht sonderlich gefällig sein und in den ersten 4 oder 5 Aufgüssen dominiert die Bitterkeit auch absolut mit eiserner Faust, aber trotzdem lässt sich eine tiefe Klarheit erkennen und die floralen Erinnerungen im Hui Gan geben einen Ausblick auf was noch kommt - denn wenn der Tee schon nicht schmeckt (etwas übertrieben), ist er doch sehr wandelbar: wenn die Bitterkeit langsam ein bisschen nachlässt kommen eben diese floralen Noten in einer frischen, "grünen" Version zum Tragen mit einem angenehm süßen Abgang und einer leicht nussigen, schwer zu greifenden Note, die mich etwas an Reiswaffeln (ohne Schokolade oder so!) erinnert. Im weiteren Verlauf ändert sich das Kräfteverhältnis noch weiter und die Süße gewinnt an Kraft und bekommt dezent fruchtige Anklänge - die Bitterkeit bleibt als roter Faden im Hintergrund aber immer erhalten. Interessant ist auch, wie sich das Aroma der Blätter ändert: von frischem Frühling hin zu schwülem grünen Dickicht an einem sumpfigen Bach im Wald an einem Sommertag. Das ist ein Tee, dem man 2h zuhören kann und dem Echo im eigenen Körper lauschen, ohne dass es einem langweilig wird - da braucht es nichts weiter, kein Buch, keine Musik keine Garnichts - und selbst dann hat der Tee noch mehr Power, als manch einer beim ersten Aufguss (ich bin gespannt, wie er sich heute Abend noch entwickelt)! DAS ist die Art von Tee, die ich suche - kein bisschen gefällig, wandelbar mit Tiefe und viel Energie - ich kann da Matt nur zustimmen, dass das ein Puerh ist, von dem man viel lernen kann.
Bewertung: 6-Sterne, Favorit

2021 Bai Hua Qing (EoT) trockenes Blatt und Bing

2021 Bai Hua Qing (EoT) Details trockenes Blatt

2021 Bai Hua Qing (EoT) erster Aufguss

2021 Bai Hua Qing (EoT) zweiter Aufguss

2021 Bai Hua Qing (EoT) dritter Aufguss

2021 Bai Hua Qing (EoT) späterer Aufguss

2021 Bai Hua Qing (EoT) deutlich späterer Aufguss

2021 Bai Hua Qing (EoT) viel späterer Aufguss (und der Tee hat noch viel Power übrig!)

2021 Bai Hua Qing (EoT) Details nasses Blatt

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