- Kategorie: Pu'erh, Sheng
- Herkunft: China, Yunnan, Puer, Lancang, Bangwai
- Jahrgang: 2013
- Form: Bingcha, 200g (nur Sample vorhanden)
- Besonderheit: Sonnentrocknung (Shai Qing)
- Jinsong Yu (via Shui Tang)
(Original 10.10.2021)
Vorab: Bangwai oder Bangwei (beides mal 邦崴 geschrieben) ist eines der Dörfer, die mir Rätsel aufgibt: es gibt wohl eines im Fudong township (富东乡) in Lancang (澜沧县) und eines im Wenlong township (景福乡) in Jingdong (景东县) - da aber sowohl die romanisierte Schreibweise als auch die Originalschreibweise absolut identisch ist und der einzige Unterschied soweit ich das gesehen habe, dass man das Dorf in Lancang mal mit ei mal mit ai schreibt und das Dorf in Jingdong immer mit ei schreibt, nutze ich das als Unterscheidungsmerkmal. Das ist aber natürlich nur innerhalb von meinem Blog stringent, denn dieser Tee von Yu ist mit ei geschrieben, ich bin mir aber recht sicher, dass es sich um das deutlich bekanntere Dorf in Lancang handelt. Vielleicht liegen mir hier aber auch falsche Informationen vor - falls daher jemand verlässliche genauere Infos hat, wäre ich dafür sehr dankbar!
Aber zum Tee: mit einer ausgeprägten süß-würzigen Holzigkeit und für Yu überraschend derbe, etwas bittere Facetten ist der Tee ein Musterbeispiel für einen guten Bangwai. Insbesondere die Holzigkeit kommt bei diesem Tee wunderschön zu tragen - nicht ganz so süß wie z.B. bei dem 2013er Manzhuan von prSK aber dafür ebenfalls mit einer leicht harzigen Note, auf die ich total stehe - das gepaart mit bitteren Facetten und einem für Yu überraschend derben Charakter (natürlich trotzdem deutlich runder/geschmeidiger als ein gleichaltriger Bangwei von anderen Produzenten wie z.B. dem tollen 2014er Long Lan Xu von EoT) ergibt für mich die volle Punktzahl auf der Geschmacks- und Charakter-Ebene! Das Aroma wird ebenfalls von der süßen Holzigkeit dominiert und man weiß schon beim Betreten des Raumes, dass da etwas ordentliches im Kännchen sein muss - auch nicht unwichtig: im leeren Schälchen duftet es schön derb nach Stall, immer ein gutes Zeichen! Das Qi des Tees hingegen entspricht sehr dem, was ich bislang von anderen Yu-Shengs kennen lernen durfte: sehr mild im Auftreten aber durchaus vorhanden - man spürt im Vergleich zu anderen Shengs kaum, dass sich die Energie im Körper bewegt, nach einer Weile wird einem aber dann bewusst, dass sich etwas verändert hat und der Fleischsack voller Blut, Knochen und wirbelnder Gedanken doch etwas ruhiger und entspannter auf dem Kissen sitzt als normal. Der Tee ist nicht sonderlich schwer aber trotzdem irgendwie "voll" und im Laufe der Aufgüsse kommt auch immer mehr eine sehr schöne, leicht pilzige Fermentationsnote zum Vorschein - sehr ähnlich wie bei dem 2015er Bangpen von Yu. Alles in allem ein wirklich toller Tee, den ich auf Grund der Erfahrung mit jungen Yu Shengs so nicht von ihm erwartet hätte - der Ausflug in die "älteren" Yu Shengs hat sich für mich absolut gelohnt, um sein Produktionsprofil besser zu verstehen!
Allerdings stellt mich der Tee mal wieder (wie häufiger in letzter Zeit) vor das Problem der Bewertung: es ist ein Tee wie z.B. der 2020er Mansa von prSK der mich auf der subjektiven Ebene absolut packt und die maximale Punktzahl verdient hätte, auf der objektiven Ebene muss es aber nach oben noch Luft geben, da er z.B. rein von der Qualität her nicht mit dem 2013er Laobanzhang oder dem Rareness 6 ebenbürtig ist (letzterer ist sowieso so abgespact, dass er völlig außer Konkurenz ist). Dass die Bewertungen daher (und auf Grund von anderen Faktoren wie dass man mit jedem Tee etwas dazu lernt, es von vielen Faktoren wie z.B. der Tagesform abhängig ist, wie man einen Tee wahrnimmt etc.) kaum mehr als ein Richtwert sind spricht eigentlich dafür, diese komplett zu entfernen - andererseits sind sie immerhin ein Richtwert und bei (Stand heute) 688 besprochenen Tees in diesem Blog ist das zumindest für meine eigene Nutzung essentiell, um schnell die gewünschte Information zu extrahieren.
Bewertung: 5- oder 6-Sterne, Favorit
(Update 29.12.2022)
Der gestern bereits kurz angesprochene Bangwei, der wohl zu den ersten Tees gehört, den Yu unter eigenen Namen und nicht mehr unter "All for Tea" produziert hat, ist leider auch gleichzeitig einer er letzten, da es anschließend schwierig wurde, gutes Material vor Ort zu sourcen. Interessant ist auch, dass der Tee deutlich fester gepresst ist, als spätere Produktionen von Yu - eindeutig eine Übergangsphase bei seinen Produktionen - wodurch der Tee natürlich mehr Bruch als andere, höherwertigere Produktionen enthält. Aber zugleich wird der Tee dadurch auch zu einem schönen Beispiel dafür, dass man ein Buch nicht nach seinem Einband beurteilen soll (wobei hier nicht der Wrapper gemeint ist, sondern das Erscheinungsbild des Blattguts): so unscheinbar er auch aussehen mag und so wenig der Name Bangwei in der Hall of Fame der teuren, gehypten Pu-Regionen vertreten ist, so ein schöner Tee verbirgt sich dahinter! Warmes Holz, zu Beginn etwas adstringent, später angenehm floral (trockene Blumen, leicht und hell) und dazu bitter-süße Facetten - auf der Geschmacksebene hat der Tee viel zu bieten, was ihm auch eine schöne Komplexität gibt. Vor allem im Aroma findet sich auch die bereites gestern angesprochene Reifungs-Note wieder, die mich bei guten (!!) Vertretern in der Übergangsphase gern einen gewissen Wachs-Duft hat. Qi und Tiefe sind auch vorhanden, wenn auch eher dezent und die Textur ist angenehm weich - je nach Schälchen mal schwerer (Hikidashi Shigaraki-yaki Guinomi), mal breiter (Tebineri yakishime Shigaraki-yaki Guinomi) - was mich aber sehr erstaunt hat, ist wie sehr der Geschmack bzw. der gesamte Charakter des Tees durch das Schälchen beeinflusst wird: aus der Tebineri yakishime Shigaraki-yaki Guinomi ist der Tee wie gesagt breiter und leichter (eine Textur-Änderung ist bei einem teilglasierten Schälchen ja zu erwarten) aber vor allem auch intensiver. Meist haben nicht vollständig glasierte Schälchen eher einen etwas abmildernden Effekt auf z.B. Adstringenz und Co aber hier wirkt es eher, als ob das "Anrauen" durch die nicht-glasierte Oberfläche ein sonst ruhendes Potential freisetzt, fast wie wenn man Kräuter zwischen den Fingern zerreibt: das bereits vorhandene Aroma wird dadurch verstärkt - sehr spannend! Schöner Tee - und auch wenn (oder gerade weil?) im Vergleich zum Long Lan Xu von EoT sehr zahm ein tolles Beispiel für einen Bangwei.
Anmerkung: Pu-Chart mit den neuen Werten auf v2.0 aktualisiert!