- Kategorie: Pu'erh, Sheng
- Herkunft: Thailand, Chiang Mai
- Jahrgang: 2000
- Form: Bingcha, 357g (nur Sample vorhanden)
- Dao Jian Zhong (†, bis 2019 Leiter von Ming Ding) via Tee-Kontor-Kiel
(Original 25.04.2021)
Ein Tee mit wirklich Geschichte dahinter! Absolut wissenswert, daher hier ein Zitat von Gelis Produktbeschreibung:
Der Produzent Dao Jian Zhong hat selbst nie seinen Namen auf seine Tees geschrieben. Er wurde 1930 in Pu'Er, Provinz Yunnan, China geboren und erlebte den Untergang der traditionellen Pu-Erh Produktionsstätten in China, gefolgt von der Übernahme der kommunistischen Machthaber. 1956 desertierte er aus der Armee und floh nach Laos und später nach Thailand, wo er in der Provinz Chiang Mai anfing, für die legendäre Teefabrik Hong Tai Chang zu arbeiten. Diese war selbst ursprünglich von chinesischen Auswanderern gegründet worden und hat nach der Schließung ihrer chinesischen "Mutterfabrik" eigenständig die alten Traditionen aufrecht erhalten. Dao Jian Zhong hat in diesem Geiste viele klassische Pu Erh Tees in Perfektion nachgeahmt und mit den originalen Labels und Nummern der alten berühmten Produzenten aus China versehen. Nach der Schließung der Hong Tai Chang Fabrik in den 1990ern leitete er bis zu seinem Tod im Jahre 2019 die kleine Fabrik Ming Ding, die seither sein und das Erbe von Hong Tai Chang weiterführt.
Nun zum Tee an sich: das nasse Blatt hat einen intensiven Petrichor-Duft, mehr Geosmin als bei den meisten Tees die ich seit längerem hatte - und trotzdem wirkt der Tee sehr sauber, kontrollierte Reifung statt wilder Kompost. Geschmacklich startet der Tee mit schön pilzig-brotigen Noten mit subtiler Süße, eher Dezent und weich. Letzteres ist definitiv ein Hauptmerkmal des Tees: ein ruhiger und weicher Charakter macht den Tee ideal für eine stille Session. Er hat zwar nicht die Power des 2020er Chafang Danzhu von prSK aber trotzdem wirkt er schön entspannend, auch wenn sich das Qi nicht klar fassen lässt. Die Geschmacksebene wird primär von einer variablen Süße dominiert - bleibt aber insgesamt sehr wandelbar: wenn die pilzigen Noten der ersten Aufgüsse verschwinden kommt in den mittleren Aufgüssen eine leicht saure Röstnote (nicht unangenehm!) zu tragen, die mich an Kaffee erinnert. Und auch der Duft des nassen Blattes ändert sich: so wie Petrichor nur zu Beginn des Regens wahrnehmbar ist und dann beispielsweise der Duft von nassem Laub zu tragen kommt, so lässt er auch hier nach und neben nassem Laub kommt warmes Holz und sauberer Gewölbekeller zum Vorschein. Alles aber immer recht dezent - im Gegensatz zu dem Chiang Rai Maocha von gestern, wo die Vorzüge leicht erkennbar und offensichtlich sind muss man hier schon genauer hinhören. Die Erfahrungen mit den Thailand-Shengs von Peter haben sich hier definitiv bezahlt gemacht, denn der Tee passt wie diese ebenfalls nicht in die von chinesischen Shengs vertrauten Qualitäts-Kriterien (Sauberkeit ausgenommen) - und trotzdem ist er richtig gut!
Bewertung: 5-Sterne
(Hinweis: die initiale Bewertung der Thailand-Shengs von Peter ist nicht direkt mit der Bewertung hier vergleichbar, weil dort noch die Lernkurve einberechnet ist - bei Gelegenheit werde ich diese aktualisieren!)
(Update 28.08.2022)
Nach fast 1,5 Jahren wird es höchste Zeit für ein Update! Hintergrundinfo: nach ein paar initialen Bings, die als Samples verkauft wurden, kam die Nachbestellung in einem etwas anderen Zustand bei TKK an - Olivier Schneider hatte die Tees während der Regenzeit in Thailand verschickt, wodurch diese beim Transport viel Feuchtigkeit gezogen haben - das Ergebnis war, dass die Bings ein intensives Kompost-Aroma hatten und auch der Geschmack des Aufgusses hatte sich deutlich in Richtung "traditional-HK-storage-Charakter" verschoben. Das hat den sehr speziellen Charakter des Tees, der viel von seiner einzigartigen Aromatik gestützt wird, natürlich ruiniert - aber da der Tee ja nur Feuchtigkeit gezogen hat und nicht nass geworden ist, war ich da nur wenig besorgt - ich habe auch schon erlebt, dass das Paket mit einem Tee richtig nass geworden ist und auch dieser hat sich nach einem Jahr wieder gefangen. Also hab ich den Tee erstmal 3 Monate offen in der Wohnung zum auslüften gelagert und dann in eine etwas luftigere Lagerung als der übliche Tontopf verfrachtet, wo er die letzten 13 Monate zubringen durfte und immer wieder mal eine Stichprobe genommen wurde - diese zeigten, dass sich der Tee klar auf dem Weg der Besserung befand! Inzwischen würde ich sagen ist er wieder auf seinem ursprünglichen Niveau - wenn auch interessanter etwas weniger dezent: etwas weniger Petrichor dafür etwas mehr Pilz, was aber ggf. auch der extremen Dosierung heute geschuldet sein kann: ich habe die maximale Zuladung meiner extra für das 30ml Zhuni-Kännchen gemachten Mini-Teerutsche ausprobiert, was tatsächlich gut passt - so vollgeladen ist es wirklich das Maximum, da der Deckel kaum noch zu geht (siehe Detailbild) und das 25ml Schälchen wird nur noch halb voll. Ich mag diesen Tee jedenfalls sehr gerne - und das obwohl er hinsichtlich Feuchtigkeit die Sheng-Entsprechung zum berühmtberüchtigten 2001er Si Rui Liubao sein dürfte: etwas mehr Feuchtigkeit und es wäre Kompost. Die spannende Frage ist nun: warum verhält sich das mit der Feuchtigkeit hier so anders als bei den typischen HK-Storage Shengs? Diese fand ich ganz zu Beginn wie bei dem 1990er Hong Kong Style Sheng von W2T zwar auch sehr spannend (weil damals noch ungewohnt) aber desto mehr in die Richtung ich getrunken hab, desto weniger mochte ich sie, da alle den gleichen Charakter hatten und hinsichtlich Qi schlicht tot waren (ein Blick auf das Chart von 2016/2018 zeigt hier einen bei dem W2T-Tee einen für HK-Storage ungewöhnlich hohen Ausschlag - das muss ich bei Gelegenheit mal überprüfen). Den Vorteil des neuen hat der Tee sicherlich auch, aber was er an Energie, Komplexität und Tiefe zu bieten hat liegt weit jenseits von jedem HK-Sheng - ist es das andere Klima? Denn auch wenn der Tee einerseits ultrafeucht wirkt hat er andererseits obwohl die Feuchtigkeit den Tee definitiv auch ganz durchdrungen hat (was man gut sieht, wenn man den Bing zerlegt) noch eine gewisse "Grünheit" im Material bewahrt, die auch (bei hoher Dosierung) für eine gewisse Adstringenz sorgt, die später in eine spannende Süße übergeht. Das verwendete Material spielt aber sicher auch eine Rolle, denn der 2000er Chiang Mai Chi Tse Bing hat zwar auch einen sehr ähnlichen Lagerungscharakter, kann aber in den Metriken nicht mit diesem Tee mithalten. Da es leider nicht viele Shengs aus Thailand in dieser Altersgruppe gibt, muss die Frage auf Grund mangelnder Versuchsobjekte leider erstmal unbeantwortet bleiben...
Bewertung: 5- oder 6-Sterne
Anmerkung: Pu-Chart auf v2.0 aktualisiert!
Update (28.08.2022): inzwischen auch mit (erholtem) Bing
letzter Aufguss im Kännchen...
... und da der Tee auch nach fast 2h immer noch kann, geht es im praktischen 50ml Gaiwan von Bero weiter