- Kategorie: Pu'erh, Sheng
- Herkunft: Laos, Nyot Ou, Seo Pen
- Jahrgang: 2022
- Form: Bingcha, 357g (nur Sample vorhanden)
- Farmerleaf
(Original 20.08.2022)
Seo Pen - ein Ort von dem ich vor diesem Jahr noch nie gehört habe. Ganz lustig ist, dass ich obwohl ich den Tee heute schon zum dritten mal trinke, erst heute (nach der Session) realisiert habe, dass es ein Tee aus Laos ist: initial habe ich ihn nämlich vor einigen Wochen an einem Teetreffen unter der Aussage, dass Seo Pen zu Guafengzhai gehört kennengelernt - und auch wenn ich einige Gärten/Dörfer in GFZ kenne, will ich mir nicht anmaßen darüber wirklich Bescheid zu wissen (einerseits gibt es Dörfer wie Heishuiliangzi, von denen ich zwar weiß aber noch nie einen Tee hatte und andererseits gibt es auch garantiert Dörfer/Gärten, von denen ich noch nichts gehört habe), daher hab ich das ohne vorhandenes Gegenargument zunächst mal so aufgenommen und bis heute auch nicht im Shop nachgeschaut.
Und tatsächlich hat der Tee auch insbesondere in den ersten Aufgüssen einen definitiven GFZ-Charakter: eine intensive Steinfrucht-Note, etwas kerniger und nicht floral was für GFZ typisch ist - geschmacklich gefällt mir der Tee sehr viel besser als der diesjährige Gulan und auch der spannendere Nuo Gu Wan kann da nicht mithalten (was aber sicher mit daran liegt, dass ich von Yiwu und insbesondere GFZ sehr angetan bin). Auch das Aroma ist sehr schön: verschwitzter Regenwald im Sommer - durchaus nicht untypisch für etwas derbere GFZ-Produktionen - und dass der Tee derber produziert wurde wird schon zu Beginn klar. Ich muss aber gestehen, dass wenn die Fruchtigkeit nach ein paar Aufgüssen deutlich zurückgeht und dafür eine nicht all zu angenehme Bitterkeit (weil aggressiv wirkend) zum tragen kommt, wirkt die Produktion weniger charmant als zu beginn und ich kann manchen Nörgler nachvollziehen - aber alles noch in einem erträglichen Maß, doch der Tee bekommt dadurch schon ein gewisses Maß an Aggressivität. Sehr spannend ist auch, dass der Tee (für mich) mehr Qi bietet (auch wenn das Gesamtlevel noch immer weit von prSK und Co entfernt ist) als die beiden anderen teureren Tees, diese jedoch mehr Kraft zu haben scheinen, wenn man den Gesamtcharakter des Tees betrachtet - das mag evtl. damit zusammenhängen, dass der Seo Pen so gut wie keine Tiefe hat und die Textur eher enttäuschend ist: im Verhältnis zum ausgeprägten und schön ausgearbeiteten Geschmack wirkt diese auffallend flach und hinterlässt ein eher unschön kalkiges Mundgefühl (zugegeben scheint mein eher hartes Wasser bei dem Tee nicht optimal zu sein - bei der letzten Session mit einer etwas weicheren Mischung ist das weniger stark zum Tragen gekommen).
In Wahrheit kommt der Tee aber wie gesagt aus Laos: Seo Pen liegt in Nyot Ou (Laos), was direkt an der Grenze zu Yiwu (China) liegt und Seo Pen wiederum ist wohl das nächste Dorf zu Guafengzhai, was sogar über ein Tal eine direkte Verbindung nach dort hat - William hat hier freundlicherweise eine schöne Karte gemacht, siehe hier. Ein klassischer Grenztee also - was normalerweise ein Euphemismus für die gängige Praxis des ultra-kapitalistischen modernen Chinesen ist, Material aus Laos nach China zu schaffen und für deutlich höhere Preise als China-Tee zu verkaufen. Nicht so hier: auch wenn es im ersten Absatz nicht ganz klar ist erklärt William dann ausführlich, von wo das Material ist und vor allem auch, dass sie seit 2018 mit einer französischen NGO (Comite de cooperation du Laos) vor Ort daran arbeiten, die Verarbeitungsqualität zu verbessern: das erklärt, warum der Tee nach China-Standard derb, nach Laos-Standard gut produziert wirkt und warum der Tee so rein gar nichts von dem sonst üblichen FL-Charakter (der Eigenproduktionen) hat. Find ich eine gute Sache und trotz den angesprochenen noch verbesserungswürdigen Punkten (daher etwas Abzug in der Wertung) ist es ein schöner Tee, der mir besser gefällt als die beiden High-End Eigenproduktionen aus Jingmai - und das zu einem günstigeren Preis: für 0,45€/g (aktuell entspricht ein USD leider 1:1 einem EUR) kann man da nicht meckern!
Bewertung: 4-Sterne
(Update 05.09.2022)
Nur ein kurzer Nachtrag zum Seo Pen: den Rest vom Sample hab ich in dem Bizen-Kännchen von Jiri Duchek gebrüht und was noch gewichtiger ist auch das dazu passende, unglasierte Schälchen genutzt - diese Kombination sorgt oft dafür, dass die groben Aspekte eines Tees verstärkt werden. Und das Ergebnis kann sich sehen lassen: die ersten zwei bis drei Aufgüsse, in denen noch eine dezente rauchige Note vorhanden ist, erinnert sogar ein bisschen an den großartigen 2015er Xiaoshu Lincang von prSK, auch wenn er dann (geschmacklich) schnell gesitteter wird und sich auf eine trotzdem noch schöne bitter-fruchtige Kombination einpendelt. Ich muss schon sagen: von den 2022er Tees von Farmerleaf gefällt mir der hier mit Abstand am besten - vermutlich gerade weil er eigentlich kein Farmerleaf ist, haha! Jedenfalls bin ich der Ansicht, dass der Seo Pen genau so selbstbewusst als Laos-Sheng auftreten kann wie z.B. der Mansai als Myanmar-Sheng auftreten kann und sich nicht als "Yiwu-artig" oder "die andere Seite von Yiwu" ausgeben muss: wenn man wie beschrieben in der fruchtigen Note Parallelen erkennen kann, ist das schön aber das ist nicht das Entscheidende/Wichtige.
Details Glasur Schälchen von Jaroslav Marek