- Kategorie: Pu'erh, Sheng
- Herkunft: Thailand
- Jahrgang: 2022
- Form: Bingcha, 357g
- pu-erh.sk
Nach dem großartigen 2021er mind_switch und dem vielversprechenden Teaser in Form des 2022er Maochchas war ich doch sehr auf die aktuelle Pressung gespannt - und wurde mal wieder überrascht: sie hätte kaum unterschiedlicher ausfallen können, als die 2021er Version! Während diese eher locker gepresst war, der Bing etwas kleiner im Durchmesser dafür dicker als normal war (zumindest bei der Version 1.0, siehe Vergleich mit Version 1.01 im Blogpost), ist es beim 2022er gegenteilig: der Bing hat eine normale Größe (Fullsize Bing) ist aber sehr flach da ziemlich fest gepresst - glücklicherweise (?) nicht so extrem wie bei dem abgespacted Rareness 6 aber doch ziemlich am oberen Ende der Skala (zumindest für eine moderne Produktion). Dass das mit den Geschmack und Charakter des Tees bestimmt ist klar - daher ist insbesondere der Vergleich zum Maocha spannend.
Das Aroma des nassen Blatts ist schön tief, voll und trägt bereits die charakteristische "Kernigkeit", die sich auch als roter Faden durch die Geschmacksebene zieht und sich für mich zu dem typischen Charakteristikum für Thailand Sheng herauskristallisiert hat (zumindest bei den jüngeren Vertretern, die über 20-jährigen Vertreter haben eine zu große Transformation durchlaufen, um hierzu noch Aussagen treffen zu können) - tatsächlich nicht ganz unähnlich der bei einem Guafengzhai oft anzutreffenden Kernigkeit (mit Ausnahme von Chawangshu), auch wenn eindeutig exotischer und wilder. Wie zu erwarten war startet der erste Aufguss recht bitter und adstringent - die Kernigkeit hat hier etwas von Traubenkernen: nicht die verweichlichte Sorten, die man im Supermarkt findet (falls diese überhaupt noch Kerne haben) sondern die ursprünglichen, wo eine Traube zu 66% aus Kernen besteht. Dazu die ebenfalls für Thailand Sheng typische exotische Note, die mich bei jungen Shengs immer etwas an grüne Bananen erinnert - beides kommt um so besser zur Geltung, wenn man den Tee etwas vorsichtiger mit nicht ganz so heißem Wasser brüht. Aber die Bitterkeit und noch nicht einmal die Adstringenz stören mich bei dem Tee, denn es ist absolut unmissverständlich, welche Qualität in dem Material steckt - eine wenig-intrusive Verarbeitung (im Sinne von gewollten Veränderungen in Richtung Süße, Sanftheit, Oxidation etc.) finde ich hier angemessen. Am besten lässt sich das evtl. mit einem weiteren Beispiel von unserem Tee-Treffen erklären: Samstags waren wir "in der Stadt" indisch essen (wer schon mal gegoogelt hat, wo ich wohne, weiß dass es das bei uns "auf dem Land" nicht gibt) - definitiv das beste Indische Restaurant, das ich hier in der Region kenne und es war auch gut, alles prima zubereitet, super gewürzt etc. Sonntags waren wir dann in dem winzigen Dorf, wo ich das Wasser zum Tee brühen hole bei einem äußerst unscheinbaren Restaurant essen - Restaurant ist hier fast noch übertrieben, denn man geht quasi über die Terrasse in ein spartanisch eingerichtetes Wohnzimmer mit Holzofen, in dem ein paar große, grobe Tische aufgestellt sind. Das essen hier ist einfach gestrickt - die meisten hatten eine gegrillte Forelle mit Kartoffelsalat - bei weitem nicht so exotisch, aufwändig und farbenfroh wie das indische Essen - und doch war es das beste, was ich seit vielen Jahren (in einem Restaurant) gegessen habe, denn die Qualität der wenigen Zutaten war absolut überragend! Der Fisch stammt aus der Region, wurde auf den Punkt genau ohne viel Firlefanz gegrillt und ein guter hausgemachter Kartoffelsalat als Beilage ist da völlig ausreichend - wer noch einen Salat dazu hatte konnte auch hier klar erkennen, dass dieser am Morgen noch im Garten stand, so frisch war er. Die beiden kernigen Betreiber haben keine übertrieben-falsche Freundlichkeit aufgesetzt, wie es in unserer Gesellschaft viel zu oft der Fall ist - dass ein (ziemlich schlanker) Freund, der mit seinen beiden Wild-Schnitzeln zügig fertig war überraschend und mit dem Kommentar "das könne er bestimmt noch vertragen" nochmals ein Stück auf den Teller gelegt bekommen hat, zeigt dafür eine sehr viel ehrlichere Freundlichkeit. Worauf ich hinaus möchte: auch wenn das indische Essen ohne Frage gut war - hier hat man die Qualität und die Hingabe direkt wahrgenommen, weshalb das Essen auf einem ganz anderen Level war. Und so fühlt sich auch der mindSwitch (und seine beiden Vorgänger) für mich an: hier wurde nichts beschönigt oder übertüncht, ausschließlich die Qualität muss für sich sprechen.
Aber um den Tee nochmals in Relation zu seinen beiden Vorgängern zu stellen: der 2022er ist auf Grund der festeren Pressung und etwas grünerem Charakter deutlich näher beim 2020er (damals noch als Chafang Danzhu benannt) als beim 2021er v1.0 aber trotz der Derbheit kann man die Fortschritte in der Produktionsmethode durchaus erkennen - somit steht er irgendwo zwischen dem 2021er v1.01 und dem 2020er. Da ich mich von außen in den Bing hineinarbeite habe ich heute auf jeden Fall das Glück, viele intakte, große Blätter zu haben - das wird wenn ich mich weiter vorgearbeitet habe definitiv anders sein - das Ziel ist hier definitiv wie Peter auch im Shop schreibt eine langfristige Lagerung wohingegen der 2021er (v1.0) zum jetzt trinken deutlich besser geeignet ist. Es wird definitiv spannend zu beobachten, wie sich die Tees in den nächsten Jahren parallel entwickeln werden!
Bewertung: 5- oder 6-Sterne