• Kategorie: Pu'erh, Sheng
  • Herkunft: China, Yunnan, ??? (Blend)
  • Jahrgang: 2016
  • Form: Bingcha, 357g (nur Sample vorhanden)
  • Private Produktion via Puerh.uk

Heute ist ein Tee mit großen Ansprüchen im Kännchen: "Can tea be like water?" und "Full expression of yun (韻)". Zur Einordnung: dieser Tee stammt vom selben Produzenten, der auch den 2020er Fu Shun Gao Legacy aka "The Beast" produziert hat und schon 30 Jahre Erfahrung im Thema Pu'erh hat (10 davon als Produzent) - mit 1,21€/g liegt der Tee preislich aber noch im akzeptablen Bereich, was evtl. daran liegt, dass es sich um einen Blend aus leider nicht näher genannten Regionen handelt, aber die Abwesenheit von großen Namen macht es auf jeden Fall günstiger. Etwas fraglich ist, was mit "secret ingredient" in der Beschreibung gemeint ist - special sauce? - aber lassen wir uns überraschen. Zum Einsatz kommt heute mein geliebtes vintage Chaozhou Biandeng Kännchen im Zusammenspiel mit neutraler Kohiki-Keramik von Jiri Duchek.
Starten wir mit der ersten Frage: Mit Yun (韻), zu Deutsch "Reim/Gedicht", ist im Zusammenhang mit Tee primär der Nachgeschmack oder generell die Erfahrung die (schwer fassbare) Essenz eines Tees voll zu erfahren gemeint. Das ist etwas, was nicht mit "viel hilft viel" zu lösen ist sondern sich auf einer tieferen Ebene abspielt und durch das Zusammenspiel verschiedener Metriken ermöglicht wird. Deshalb ist das auch etwas, was man meiner Erfahrung nach vor allem bei eher subtilen Tees findet (wenn überhaupt), da das fragile Gleichgewicht von allen Erfahrungen beim Teetrinken dieses Yun ergibt - hat man z.B. einen super-bitteren (oder süßen, völlig egal) Tee im Schälchen klappt das nicht, da sich die Gewichtung zu sehr in Richtung Geschmack verschiebt - dieser dominiert das Erlebte und man "sieht" den Rest nicht mehr. Und das macht dieser Tee wirklich gut: auf der Geschmacksebene dominiert hier zwar auch eine bitter-süße Kombination aber recht subtil, so dass man gut parallel die schöne Textur (dazu später mehr), das tolle Aroma von einer wunderbar voranschreitenden Fermentation und das Qi sowie die Tiefe, die der Tee bietet erleben kann. Auf jeder Metrik bietet der Tee zwar viel, aber immer subtil - gerade beim Qi wird das offensichtlich, wenn man ihn mit einem jungen Wilden wie dem Nanma von gestern vergleicht: es ist zwar durchaus ausgeprägt, aber nicht anregend/wachmachend sondern entspannt und ohne Druck. Insbesondere die charakteristische Fermentationsnote ist toll - DAS ist es, was einen semi-aged Sheng für mich ausmacht! Diese findet man z.B. auch bei den etwas älteren Produktionen von Peter wie dem 2013er Manzhuan oder dem 2012er Yiwu Huangye wieder - wobei die hier etwas weicher ist: auch wenn trockene Taiwan-Lagerung macht das Land eben doch nochmals einen Unterschied. Das erste Versprechen erfüllt der Tee jedenfalls!
Und die Frage, ob sich ein Tee wie Wasser anfühlt ist komplexer als man zunächst denken könnte: es geht (meiner Meinung nach) darum, dass ein Tee, der ja immer eine gewisse Textur hat, sich nicht "unnatürlich" anfühlt sondern trotz der unausweichlichen Veränderung wie frisches Quellwasser - "enhanced" wenn man es so möchte durch die inhärenten Eigenschaften des Tees, der das verwendete Wasser schwerer/voll und süßer macht aber trotzdem noch erfrischend wie wenn man das reine Quellwasser trinken würde. Man mag sich nun fragen, was das soll - kann man ja gleich das Wasser pur trinken, wäre auf jeden Fall preiswerter - aber das schöne ist, dass man zusätzlich zu dieser Erfahrung das Qi des Tees spürt, den Hui Gan erlebt und das Aroma des Tees den Raum füllt (man merke die Parallelen zu den Ausführungen hinsichtlich Yun). Vielleicht/vermutlich muss man ein gewisses Nerd-Level im Bezug auf Tee erreicht haben, um das nachvollziehen zu können, haha! Jedenfalls ist das wie gesagt nicht leicht - bislang haben das vor allem die Tees von Peter geschafft - aber dieser hier gehört dazu, Chapeau!
Insgesamt ein wirklich toller Tee für ruhige Sessions, der hält was er verspricht - und obwohl ich nicht näher definierten Blends zunächst mal kritisch gegenüberstehe (single-origin Fanboy, hehe) schafft es der Tee mich restlos zu überzeugen - der Preis, der auf dem Niveau einer typischen Taiwan-Boutique-Produktion liegt (besonders berühmte Dörfer natürlich ausgenommen) - ist dadurch als absolut angemessen einzustufen, insbesondere wenn man sich anschaut was aktuelle Produktionen von Yu und Co so kosten.
Bewertung: 6-Sterne

2016 Ethereal trockenes Blatt

2016 Ethereal Details trockenes Blatt

2016 Ethereal erster Aufguss

2016 Ethereal Details Aufguss

2016 Ethereal zweiter Aufguss

2016 Ethereal dritter Aufguss

2016 Ethereal Details Kohiki Yuzamashi von Jiri Duchek

2016 Ethereal deutlich späterer Aufguss

2016 Ethereal viel späterer Aufguss

2016 Ethereal Details nasses Blatt

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