- Kategorie: Maocha
- Herkunft: Thailand
- Jahrgang: 2022
- pu-erh.sk
Bei seinem letzten Besuch hat Peter freundlicherweise etwas von diesem spannenden Maocha dagelassen: das Material stammt von einem Baum, der in den Ländereien von VeiAn "wiederentdeckt" wurde und angeblich 970 Jahre alt sei - insgesamt wurden von diesem Baum lediglich 400g Maocha in dem Jahr produziert. Zum Vergleich: bei den schon sehr beeindruckenden Bäumen des mind_switch (siehe die Notiz zur 2021er Version) wird das Alter auf 400 - 700 Jahre angegeben. Klar, Angaben zum Alter sind immer mit Vorsicht zu genießen denn letztlich kann man das Alter nur dann zweifelsfrei bestimmen, wenn man den Baum umsägt und die Jahresringe zählt oder sonst eine intrusive, wissenschaftliche Methode anwendet (denn ich bin mir gar nicht sicher, ob es in Thailand auf Grund des ganz anderen Klimas überhaupt so ausgeprägte Jahresringe wie bei uns in Europa geben kann, was ja auch den Unterschied zwischen Sommer und Winter zurückzuführen ist - ich möchte jedenfalls nicht der sein, der die zählen muss, haha), aber klar ist, dass es alte Bäume sind. Und eine Wiederentdeckung kann bei entsprechend großen Ländereien, von denen aktuell nur ein Teil kultiviert wird natürlich durchaus sein - insbesondere vor dem Hintergrund, dass vor einigen Jahrzehnten in der Region chinesische Teeproduzenten tätig waren, dann aber aus bekannten Gründen die privaten Unternehmungen aufgegeben haben. Ich hab mit mit dem Review dazu etwas Zeit gelassen und wollte den Tee zunächst einmal aus unterschiedlichen Perspektiven (unterschiedliche Keramik/Volumen/Wasser-Kombinationen) kennenlernen - zugegeben die heutige Session ist mit Abstand die schwächste davon, da ich seit langem mal wieder gefiltertes Wasser genutzt habe: das werde ich in Zukunft definitiv nicht mehr machen, der Unterschied zum ungefilterten Quellwasser ist im negativen Sinne so eklatant dass ich mir ernsthaft überlege, nicht völlig auf einen Wasserfilter in meinem Haushalt zu verzichten, denn für die paar mal wo ich einen Nicht-Pu trinke lohnt sich das kaum. Der einzige Nachteil ist, dass man eine etwas spezielle Art des Eingießens von Tetsubin ins Kännchen praktizieren muss, um nicht die ganze "white sauce" (den gelösten Kalk im ersten Schwung Wasser) im Aufguss zu haben - denn DAS ist das Problem bei hartem Wasser, nicht die eigentliche Härte im klaren Wasser. Andererseits: einen zimperlichen Grüntee mit 18° dH aufzubrühen wird er mir sicher krumm nehmen, haha!
Aber zurück zum Tee: der Fairness halber ist die Bewertung daher eine Mischung von dieser und den vorherigen Sessions, wobei sich die Unterschiede primär auf den Geschmack und die Textur beziehen. Unbestritten ist, dass es sich um wunderschönes, kräftiges, RIESIGES Blattgut handelt, das selbst bei einem meiner größeren Kannen (120ml) nicht mehr rein passt. Der Rest des Materials darf in einem hübschen Tongefäß von Martin Hanus (heute ist übrigens alle Keramik von Martin Hanus - nur der Teller/Teeboot ist von Jiri Duchek) die nächste Zeit verbringen - sofern ich mich ausreichend zurückhalten kann wird es spannend zu sehen, wie sich das Material im Vergleich zum mind_switch Maocha des selben Jahrgangs entwickelt (von dem ich ebenfalls etwas in einem anderen Keramikgefäß lagere). Denn dieser passt als Vergleichsmöglichkeit natürlich am ehesten: der selbe Jahrgang, selbe Produzent, selber Garten - und doch völlig anders! Der für mich wichtigste Unterschied betrifft das Qi: zwar definitiv vorhanden ist es im Vergleich zum mind_switch deutlich dezenter - ein Schweizer Teefreund meinte mal, dass je älter der Baum ist, desto sanfter sei die Wirkung des Qis - allgemein kann man das denke ich nicht sagen (da belegbare Daten unmöglich, da Qi nicht messbar) aber hier passt es auf jeden Fall ins Muster. Und noch offensichtlicher ist der Unterschied bei Geschmack und Textur: das Fruchtige des mind_switch fehlt hier größtenteils und je nach Wasser/Keramik-Kombination tendiert der Tee in eine bitter-nussige Richtung (Mandeln! bei ungefiltertem Wasser) oder gemüsig-bittere Richtung (bei gefiltertem Wasser) wovon mir die erste auf Grund von mehr Gewicht und Textur deutlich besser gefällt - mit gefiltertem Wasser wirkt der ohnehin schon nicht sonderlich schwere Tee zu dünn. Positiv ist aber, dass er in allen Varianten viel Tiefe und Komplexität zeigt und trotz der ausgeprägten Bitterkeit kein bisschen aggressiv ist - hier macht sich klar das Alter des Baums bemerkbar! Beides tolle Tees, wobei es sicher auf die persönlichen Vorlieben ankommt ob einer von beiden einem besser gefällt oder beide auf Grund des völlig unterschiedlichen Charakters schlicht gleichwertig sind - ein anderer Teefreund schrieb kürzlich völlig richtig, dass ein Single Tree Tee zwar sehr spannend ist, aber ein Single Origin Blend meist harmonischer ist, da durch das Zusammenwirken der unterschiedlichen Charaktere der Bäume eines Gartens ein runderes Gesamtbild entsteht, das weniger extrem ist, als die Detailaufnahme von einem einzelnen Baum. Was aber auch sehr spannend ist, ist der Vergleich mit den gepressten mind_switch Bings: beide Jahrgänge finde ich deutlich spannender als das lose Maocha - und das obwohl sie so extrem unterschiedlich sind! Das Dämpfen und Pressen des Maochas zu einem Bing setzt nochmals eine weitere Entwicklung in Gang, die dem losen Maocha zu fehlen scheint - und unabhängig vom dadurch direkt erzielten Ergebnis (wie z.B. das Plus an Derbheit beim 2022er durch die feste Pressung) macht das definitiv auch mittel- und langfristig einen Unterschied in der Reifung des Tees aus. Gepresst ist alles besser ;-)
Bewertung: 5- oder 6-Sterne
der Rest des Tees darf die nächste Zeit in einem Tongefäß von Martin Hanus verbringen
selbst für das 120ml große Kännchen ist das Blatt zu groß