- Kategorie: Pu'erh, Sheng
- Herkunft: China, Yunnan, Xishuangbanna, Jinghong, Youle
- Jahrgang: 2003
- Form: Bingcha, 357g (nur Sample vorhanden)
- Chenyuan Hao (陈远号) via Puerh.uk
Nach dem 2004er Youle von gestern hab ich mir gedacht, dass der 2003er Youle von Chenyuan Hao (陈远号) sicher ein spannender Vergleich ist: dabei handelt es sich um eine Boutique-Marke für hochwertige Pu'erh-Produktionen mit einem traditionellen Produktionsansatz, sprich eher etwas rustikaler als XZH und Co, was für mich sehr spannend klingt, denn prinzipiell mag ich ja (wie man bei dem Review gestern gesehen hat) das Rustikale, Derbe doch sehr gerne, allerdings muss die Qualität des Ausgangsmaterials stimmen, was es bei normalen Factory-Produktionen eben nicht tut. Da Puerh.uk einige Tees von CYH im Programm hat, wird man hier in nächster Zeit sicher noch etwas mehr darüber lesen ;-)
Der Tee jedenfalls zeigt sich bereits im trockenen Zustand ganz anders: das Blatt ist größer und goldener und das Aroma kündet von sauberer Taiwan-Lagerung und Walnüssen statt saftiger Deftigkeit - bereits hier ist klar, dass der Tee einen anderen Anspruch hat als der 2004er. Um so überraschender traf mich dann er erste Aufguss: er ist trotz seiner 20 Jahre um ein vielfaches mehr adstringent als der 2004er und wirkt dank mehr Bitterkeit dabei auch deutlich aggressiver - zumindest mit meinen üblichen "ordentlichen" Brühparametern (viel hilft viel). Dazu gibt es eine schwer zu beschreibende, ungewohnte aber nicht unangenehme Note, von der ich nicht sagen kann, woher sie stammt - dass die Lagerung gut ist, zeigt sich trotz all der Aggressivität auch im Geschmack: keine Säure oder typische Off-Note. Die Textur ist OK aber in meinen Augen nichts außergewöhnliches und ob es all zu viel Tiefe gibt kann man durch die Adstringenz hindurch nicht erkennen - auch Qi scheint im ersten Moment nicht viel da zu sein: es gibt ja durchaus Tees, bei denen bereits beim ersten Schluck der Körper von Energie durchflutet wird, was hier nicht der Fall ist. ABER: kaum ist das erste Schälchen leer tut sich was im Kopf - wie ein Druck, der sich immer mehr aufbaut und wenn das zweite Schälchen leer ist, ist das Gefühl von solch einer Intensität wie ich es schon sehr lange nicht mehr erlebt habe, ich denke das letzte mal beim 2019er Bakanan von prSK (wenn auch da von völlig anderer Natur). Und die Wirkung bleibt exklusiv auf den Kopf beschränkt und konzentriert sich da mit voller Wucht: hier trifft eine hochtrabende Beschreibung wie "mind-stopping" tatsächlich mal zu und wer schon mal einen richtig starken Naka hatte, weiß was ich meine, wenn ich sage, dass das Qi hier zu konzentriert ist - obwohl zwischen den Aufgüssen immer (auf Grund des neu aufzukochenden Wassers im Tetsubin) ca. 15 Minuten liegen, hat die Wirkung nach dem dritten Aufguss die Grenze zum Unangenehmen überschritten. Das hängt primär mit der Wirkung des Qis zusammen: durch die konzentrierte, drückende Wirkung auf den Kopf empfinde ich es als aggresiv - da ist mit ein eher körperlich wirkendes Qi wie bei einem guten Yiwu deutlich lieber, da ich das als entspannend empfinde. Das ist aber natürlich etwas sehr subjektives - Matt beschreibt das Qi als "fröhlich und euphorisch" und scheint insbesondere diesen Tee sehr zu mögen (siehe hier und hier), nennt ihn auch einen High-End Youle, was ich absolut nachvollziehen kann, wenn man die Qualität für sich nimmt. Da Besprechungen von Tees (bzw. allem, was irgendwie mit Geschmack / menschlichen Eindrücken zu tun hat) aber nicht im luftleeren Raum existieren und daher niemals objektiv sind, bekommt der Tee trotz unbestreitbarer High-End Qualität nicht die Maximalpunktzahl von mir, da mir der Charakter zu aggressiv ist - das hat sicherlich auch etwas damit zu tun, dass ich Adstringenz nicht ausstehen kann, wenn sie ein gewisses Level überschreitet aber getreu dem Motto "der Geschmack ist bei einem Tee egal", hätte ich das dem Tee nicht mal angekreidet, wenn mir die Wirkung des Qis zusagen würde. Auf jeden Fall ein beachtlich mächtiger Tee, bei dem der Preis von 1,34€/g gerechtfertigt ist - so etwas erlebt man selten! Und für mich hat sich mit dem Tee nun auch endlich der prinzipielle Charakter von Youle erschlossen: grundsätzlich keine Region für mich, da die Metriken nicht mit dem übereinstimmen, was ich in einem Pu'erh suche - aber positive Ausnahmen gibt es natürlich auch hier.
Bewertung: 5-Sterne